Am Berg ist jeder gleich

Theresa Tomelitsch ist in ihrem ersten Beruf Lehrerin an der Neuen Mittelschule in Sölden. Nebenberuflich arbeitet sie seit 2017 als Bergführerin. Sie stammt ursprünglich aus St. Anton in Tirol und lebt seit fünf Jahren im Ötztal. Theresa führt Gäste für das Alpinsportcenter in Längenfeld. Outdoor Now hat mit einer der wenigen Frauen gesprochen, die in diesem von Männern dominierten Bereich arbeitet.

Theresa, wie fühlt es sich an, ein Exot zu sein?

THERESA [lacht] So exotisch fühle ich mich gar nicht!

Ich spiele darauf an, dass weibliche Bergführer eine kleine Minderheit sind…

THERESA Ja, aber das hat auch Vorteile. Zum Beispiel konkurriere ich weniger mit meinen Kollegen, als es vielleicht Männer gerne tun.

Wie kam es zu deinem Wunsch, Bergführerin zu werden?

THERESA Ursprünglich war es eigentlich der Wunsch einer meiner Freundinnen, die fleißig trainierte. Ich wurde zu ihrer fixen Seilpartnerin und somit war ich auch immer mehr unterwegs.

Was ist deine alpinistische Vorgeschichte?

THERESA Eigentlich bin ich eine relative Spätzünderin. Früher war ich nur auf dem Rad unterwegs oder gemütlich wandern. Mein damaliger Freund hat mich dann aber sehr inspiriert und auch überall hin mitgenommen und so wurden meine Touren immer mehr und alpiner.

Wie läuft die Ausbildung zur Bergführerin?

THERESA Zu Beginn muss man die Aufnahmeprüfung bestehen. Danach dauerte die Ausbildung zwei Jahre mit rund 100 Ausbildungstagen. Mittlerweile sind es drei Jahre aber gleich viele Tage. In dieser Zeit hat man immer wieder Kurse. Jeder Kurs wird mit mehreren Prüfungen abgeschlossen. Die Kurse sind vielseitig und decken jeden Bereich des Bergsteigens ab.

Wie kommt man danach zu Gästen? Muss man sich einem Bergführerbüro anschließen?

THERESA Man muss nicht, aber das ist natürlich der einfachste Weg am Anfang.

Hast du als Frau in der Männerdomäne eher Vor- oder Nachteile?

THERESA Ich sehe mich oder die anderen nicht als Frauen oder Männer, sondern als Menschen am Berg oder wo auch immer, wo jeder gleich ist. Ich habe noch nie irgendwelche diskriminierenden Erfahrungen machen müssen. Wenn dann sind die Leute eher beeindruckt von einer weiblichen Bergführerin.

Wie reagieren speziell die Gäste auf eine Bergführerin?

THERESA Die meisten reagieren positiv, vor allem Frauen fühlen sich oft besser aufgehoben bzw. verstanden.

Losgelöst von der Geschlechterfrage, wie ist der Umgang mit den Gästen? Gibt es auch schwierige Gäste?

THERESA Ja, die gibt es auch immer wieder. Auf den Bergen kommen oft viele Emotionen auf einmal hoch, die für die Gäste neu sind. Da braucht jeder seine eigene Betreuung, Unterstützung, psychologische Zuwendung [lacht], was auch immer. Aber bis jetzt hatte ich das Glück echt nette Gäste zu haben.

Gibt es eine Geschichte zu schwierigen Gästen, die du erzählen kannst, selbstverständlich anonym…?

THERESA Ein Klassiker ist sicherlich, dass manche am Tag vor einer Tour gerne große Töne spucken und wenn es drauf an kommt eher ganz schnell ganz still werden.

Wie sieht es in der Nebensaison aus? Arbeitest du dann auch als Bergführerin?

THERESA Nein, dort nehme ich mir für mich Zeit.

Und im Winter?

THERESA Auch im Winter bin ich viel privat am Berg unterwegs. Nur in den Schulferien, wenn die Nachfrage groß ist, arbeite ich als Bergführerin. Hauptsächlich am Arlberg.  

Wie glücklich ist der Arbeitgeber über den gefährlichen Nebenerwerb?

THERESA Während der Ausbildung war er weniger glücklich, da die Kurse immer während der Schulzeit statt fanden und man meine Stunden vertreten musste. Das war keine Selbstverständlichkeit und deshalb bin ich dafür sehr dankbar.

Hast du Vorteile im Hauptberuf? Haben die Schüler zum Beispiel mehr Respekt ?

THERESA Wichtig ist mir und den Schülern Fairness, Klarheit, Spaß, Ordnung, Vertrautheit und eine angenehme Lernatmosphäre mit viel Bewegung. Ich glaube schon, dass ich durch das Bergführen gelernt habe, sicherer aufzutreten. Jetzt muss ich kaum noch schimpfen und es ist trotzdem ruhiger als davor [lacht]. Da spielen noch andere Dinge eine Rolle, aber im Laufe der Jahre lernt man einfach dazu. Gut Ding braucht eben Weil. Bei mir zumindest.

Wie siehst du deine persönliche Zukunft als Bergführerin in Zeiten des Gletscher-Rückgangs?

THERESA Da werden wir uns anpassen müssen und offen sein für Neues.

Wie fühlst du dich, wenn du von alpinen Unglücken hörst? Zum Beispiel vom Absturz einer Seilschaft am Gabler Ende August mit fünf Toten?

THERESA Unfälle passieren fast täglich und selber hofft man immer, dass es einen noch lange verschont. Oft ist auch viel Glück dabei am Berg. Aus Unfällen zu lernen ist das einzig Positive, was man davon mitnehmen kann.

Welches waren deine spektakulärsten Ziele bisher mit Gästen und auf welche Gipfel oder Routen hoffst du in Zukunft?

THERESA Da meine Zeit als Bergführerin noch sehr kurz ist, waren auch meine Ziele mit Gästen noch nicht die weitesten. Im Wallis, auf der Moiry Hütte hat es mir besonders gut gefallen. Trotz einer vollen Hütte waren wir auf den Gipfeln immer alleine und konnten einen Wahnsinns-Rundum-Blick bis nach Chamonix genießen. Wo mich das Bergführen hin verschlägt, lasse ich mir noch offen.

Wie sieht es privat aus? Welche Touren allein oder mit Freunden waren für dich besonders und was hast du noch vor?

THERESA Ich bin extrem gerne bei uns zu Hause unterwegs. Kurz vor Wintereinbruch konnten wir noch den Westgrat der Eisenspitze hoch über dem Stanzertal klettern. Da hat man schon Jahre lang hinauf geschaut…wenn man ihn dann endlich klettert und am nächsten Tag wieder von unten anschaut, taugt mir das extrem. 

Vielen Dank für das Gespräch und einen guten Winter!